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Globaler Wandel: „Menschliche Veränderungen der Umwelt reduzieren die Vielfalt im Boden“

INTERVIEW MIT DEM BIOLOGEN NICO EISENHAUER
In unseren Breiten sind Regenwürmer ein Segen für den Boden, in Nordamerika aber schaden die eingeschleppten Tiere vielen einheimischen Arten. Warum das so ist, und welchen Einfluss die globalen Veränderungen auf das Leben am und im Boden haben, erforscht Nico Eisenhauer vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig.

Im nördlichen Teil von Nordamerika leben seit der letzten Eiszeit eigentlich keine Regenwürmer mehr, aber europäische Siedler haben die nicht-heimische Art eingeschleppt. Bei uns gelten Regenwürmer als Nützlinge im Boden, in Teilen der USA und Kanadas bedrohen sie Naturwälder. Woran liegt das?

Nico Eisenhauer: Regenwürmer verändern die Bodenstruktur, die Bodenphysik und -chemie inklusive der Nährstoffkreisläufe. Zersetzen Regenwürmer in den Wäldern die gesamte organische Auflage – wie Blätter, andere abgestorbene Pflanzenteile, etc. – so herrschen auch ganz andere Keimungsbedingungen für Pflanzen. Die Tiere lösen also eine Vielzahl an Prozessen aus, die für einheimische Pflanzenarten in Nordamerika ungewohnt und daher von Nachteil sind und die in den Naturwäldern zu einem Verlust an Biodiversität führen können. In diesem Fall gibt es keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Invasion der gebietsfremden Regenwurmarten.

Welche weiteren Prozesse des globalen Wandels wirken sich auf den Boden aus?
Nico Eisenhauer: Wir haben verschiedenste Umweltveränderungsprozesse untersucht. Generell spielen Prozesse, die den Wassergehalt des Bodens beeinflussen, eine wichtige Rolle. Sehr viele Bodenorganismen sind stark von der Wasserverfügbarkeit abhängig, etwa Fadenwürmer und einige Protozoen. Wird durch Trockenheit oder Erwärmung – Auswirkungen des Klimawandels – der Wassergehalt im Boden reduziert, hat das deutliche Auswirkungen auf diese Organismen, auf mikrobielle Gemeinschaften und höhere Tiere.

Welche globalen Veränderungen sind noch relevant für die Biodiversität im Boden?
Nico Eisenhauer: Das ist insbesondere die Intensivierung der Landnutzung. Je öfter beispielsweise ein Ackerboden umgepflügt oder je mehr er gedüngt wird, desto weniger Biodiversität ist im Boden anzutreffen. Weitere deutliche Zusammenhänge sehen wir mit der Pflanzendiversität. Wenn diese sinkt, etwa durch Düngung oder gezielte Steuerung wie bei Monokulturanbau, verlieren wir ebenfalls Biodiversität im Boden.

Erforschen Sie auch die Auswirkungen von erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre, die ja für viele der Umweltveränderungen verantwortlich sind?
Nico Eisenhauer: Erhöhte CO2-Konzentrationen in der Luft haben einen positiven Effekt auf viele Gruppen im Boden, da mehr Kohlenstoff vorhanden ist, den Pflanzen speichern können. Zudem geht beim Gasaustausch über die Poren in der Epidermis der Pflanzen weniger Wasser verloren. Somit wäre eigentlich mehr Wasser im Boden verfügbar. Doch bei erhöhten CO2-Konzentrationen steigen auch die Temperaturen und damit die Wasserverluste. Und die Niederschlagsmuster ändern sich durch den Klimawandel so, dass an vielen Standorten weniger Wasser verfügbar ist, dass es zu anderen Zeiten regnet oder es Dürreperioden gibt. Wegen dieses komplexen Zusammenspiels betrachten wir die einzelnen Komponenten des globalen Wandels erst getrennt, später in der Gesamtschau. Nach unseren bisherigen Ergebnissen überwiegen die negativen Auswirkungen der Erwärmung.

Welche Gruppen von Bodenorganismen untersuchen Sie gezielt?
Nico Eisenhauer: Wir versuchen, alle Organismengruppen abzudecken, und betrachten dabei das Ökosystem als Ganzes. Der Fokus liegt also nicht nur auf der einzelnen Art, sondern berücksichtigt ihre Einbindung im Ökosystem. Zu den Schwerpunkten gehören Bakterien und Pilze. Fadenwürmer liefern sehr viele Informationen über Nahrungsnetze im Boden, Nährstoffverfügbarkeit und die Intensität von Störungen. Wir schauen uns aber auch größere Bodentiere an, wie zum Beispiel Springschwänze, Milben und Regenwürmer.

Führt der globale Wandel zum Verlust an Bodenbiodiversität?
Nico Eisenhauer: Unbestritten ist, dass Biodiversität weltweit verloren geht; und zwar mit einer Geschwindigkeit wie selten zuvor in der Erdgeschichte. Allgemein verzeichnen wir auch den Trend, dass die Aktivitäten des Menschen die Zusammensetzung von biologischen Gemeinschaften an unterschiedlichen Standorten vereinheitlichen. Allerdings wird in der Wissenschaft zur Zeit intensiv die Frage diskutiert, ob es auch einen generellen Biodiversitätsverlust auf lokaler Ebene gibt, weil selbst einschlägige Publikationen zu dem Ergebnis kamen, dass sich die Biodiversität in den letzten Jahren lokal nicht viel verändert hat. Es kommt jedoch immer darauf an, welche Umweltveränderungsprozesse untersucht werden. Bei einer leichten Temperaturerhöhung und gering veränderten Niederschlagsmustern sehen wir im Boden nicht sofort deutliche Effekte. Bei starker Düngung oder langen Dürren können wir dagegen auch lokal signifikante Antworten der Biodiversität im Boden feststellen.