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Fracking in Europa: Enormer Bodenverlust für eine unrentable Methode

Der globale Energiebedarf steigt, während die herkömmlichen, nicht erneuerbaren Energiequellen spürbar zur Neige gehen. Ein weltweiter Wettlauf um die letzten verbleibenden Erdöl- und Erdgasreserven hat eingesetzt, dem sich auch Deutschland nicht entzieht – ob wohl die Energiewende ber eits eingeläutet ist. Beim Thema „Fracking“ werden ausgerechnet die USA als Vorbild herangezogen, die gemeinhin weder als Klima- noch Umwelthüter hervorstechen – wohl aber für die Durchsetzung ihrer ökonomischen Interessen in einer globalisierten Welt: In den USA wird die Technologie der unkonventionellen Erdgasförderung schon lange genutzt, auch in Deutschland soll sie nun kommen. Doch Experten warnen: Ganze Landstriche müssten in Industrielandschaften umgewandelt werden. Neben unkalkulierbaren Risiken für das Trinkwasser und enormen Umweltzerstörungen befördere die Schiefergasförderung somit auch die Konkurrenz um Boden.

Deutschland will sich dem unkonventionellen Fracking nicht länger verschließen. Zumindest Probebohrungen, so sieht es der aktuelle Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts vor, sollen künftig möglich sein. Sind sie erfolgreich, könnten unter Auflagen kommerzielle Bohrungen in Schiefer-, Ton- und Kohleflözgestein erlaubt werden. Fracking in sensiblen Gebieten sowie Bohrtiefen oberhalb von 3.000 Metern wird verboten sein – der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit soll Vorrang haben. Doch trotz strenger Einschränkungen für Fracking-Maßnahmen warnen Kritiker, dass Wissen und Erfahrungen über die langfristigen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und das Trinkwasser in Deutschland bislang fehlen.

Hinzu kommt jedoch noch ein weiterer kritischer Punkt, sagt Werner Zittel, Energieexperte und Autor einer kürzlich erschienenen Studie der „Energy Watch Group“ über die Risiken der Technologie: „Mich erstaunt, dass man sich in der Debatte um Fracking vor allem auf die mögliche Verunreinigung mit Chemikalien in tieferen Gesteinsschichten und im Grundwasser fokussiert“. Dass auch der Boden an sich und die Oberflächennutzung schützenswerte Güter sind, trete bei der öffentlichen Debatte zu sehr in den Hintergrund. „Durch Fracking wird es in Europa und Deutschland eine noch stärkere Flächennutzungskonkurrenz geben“, sagt der Energieexperte.

An den USA, wo 2010 bereits 20 Prozent des Erdgases durch Fracking gefördert wurden und ein Zehntel des Staatsgebiet für weitere Bohrungen in Betracht gezogen wird, sollte sich Europa nicht orientieren, mahnt Zittel: „Wir haben bereits heute eine sehr intensive Nutzung von Land in Europa – dies ist allein schon der Bevölkerungsdichte geschuldet, die um ein bis zwei Größenordnungen höher ist als in den von Fracking betroffenen Regionen in den USA. Darum gibt es hier kaum noch freie Flächen, die ohne weiteres verfügbar wären.“

Die unkonventionelle Erdgasförderung beansprucht riesige deren Böden versiegelt oder durch petrochemische Infrastruktur geprägt sind und verschmutzt werden. Eine Fläche von 0,5 bis einem Hektar geht laut Zittel pro aktivem Bohrplatz direkt verloren. Für jede Bohrung werden grob geschätzt 100 Tonnen Stahl und jeweils ähnliche Mengen Zement für immer in den Boden eingebracht.

Chemikalien, Sand, Wasser – all das muss für den Fracking- Prozess zur Bohrstelle transportiert und auch wieder entsorgt werden, sagt Zittel. Mit dem Aufbau der notwendigen Infrastruktur werde so eine Naturlandschaft in eine industriell geprägte Landschaft umgewandelt, in der nicht nur die Bohrungen auf entsprechend betonierten Bohrplätzen stattfinden. Auch Straßen und Zwischenlager sowie Sandabbaustätten, Aufbereitungsanlagen und ein Leitungsnetzwerk für den späteren Gastransport müssen geschaffen werden.

In den USA, wo jährlich einige Zehntausend Bohrungen niedergebracht werden, sind entsprechend große Flächen vorhanden. Doch auch dort erfordert der schnelle Förderrückgang – bereits nach einem Jahr sind die Einzelbohrungen in der Regel nur noch halb so ergiebig – die stete Erschließung neuer Areale.

„In Deutschland gibt es die nötigen riesigen Areale gar nicht“, sagt Zittel. Die grobe Einschätzung, dass Deutschland seinen Erdgasbedarf für knapp zwanzig Jahre aus dem Fracking unkonventioneller Gasvorkommen gewinnen könnte, hält er für unrealistisch.

Und am Ende bleibt eine weitere Frage unbeantwortet: Nach der Aufgabe einer Bohrung – das kann 20 oder mehr Jahre nach Förderbeginn sein – muss diese in Deutschland zurückgebaut werden. Sie wird verfüllt, der betonierte Bohrplatz, der als Schutz zum Auffangen von Bohrflüssigkeiten vorgeschrieben ist, wird entfernt. „Ob der Boden danach wieder landwirtschaftliche Qualität hat, wird man erst dann sehen“, sagt Zittel.

Energy Watch Group
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Fracking