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„Das einzige, was geht, ist Kreislaufwirtschaft“

Inez David denkt global, seit sie ein kleines Kind ist: Sie will die Welt retten. Mit 21 erfüllt sich für sie der Traum vieler Mädchen. Sie wird Schauspielerin – doch das genügt ihr nicht. Also gründet sie mit 31 ihren eigenen Online-Shop für Öko-Mode in Deutschland, beschäftigt sich mit Bio-Baumwolle aus Indien und mit Reißverschlüssen aus China.

Man kennt Sie als Schauspielerin aus Serien wie „Verbotene Liebe“ sowie aus dem Film „Alles ist Liebe“. Für viele wäre Ihre Karriere ein Traum. Wie kamen Sie auf die Idee, neben der Schauspielerei etwas ganz anderes zu machen und Öko-Mode zu verkaufen?
Inez David: Das ist eine sehr große Frage. Man muss dazu sagen, dass ich schon als Kind sehr „aktivistische“ Züge hatte. Ich wollte immer die Welt retten, das war auch mit fünf mein „Berufswunsch“. Und dann habe ich mich lange für die Natur interessiert, für den Tierschutz, denn Tiere können sich ja nicht selbst schützen. Damals war Wasser sparen ein großes Thema und ich habe dann überall im Haus Sticker geklebt, um meine Familie zum Wasser sparen zu motivieren. Das Interesse für die Umwelt lag also immer in mir drin.

Aber Sie sind dann doch Schauspielerin geworden.
Inez David: Ja, ich habe zunächst zehn Jahre geschauspielert, das war ein Beruf, in den ich reingerutscht bin. Und für mich war es dann schwierig zu sagen: „Oha, ich habe voll viel erreicht“, weil mir das so zugeflogen gekommen ist. Dann habe ich zwei Kinder bekommen und ich wurde 30. Und auf einmal ist man nicht mehr 20 und hat alle Möglichkeiten vor sich, sondern muss sich entscheiden: In welche Richtung geht mein Leben jetzt? Und man steckt dann schon drin, in seinen Mustern. Und außerdem wollte ich meinen Kindern gegenüber ehrlich sein und sagen können: Ja, ich lebe wirklich so wie ich möchte! Denn genau das wünsche ich mir ja für meine Kinder – ich möchte, dass sie so leben wie sie wirklich wollen – und da wurde es mir total bewusst, dass ich diesen Bereich meines Lebens ausbauen muss. Heute bin ich sehr gerne Schauspielerin. Aber ich muss auch etwas tun, bei dem ich einen direkten Einfluss auf die Welt habe.

Und daraus entstand die Motivation, einen Online-Shop für ÖkoMode aufzubauen?
Inez David: Ja, ich sammle dort ganz viele tolle Labels, die es schon gibt, die man aber schwer findet. Um einfach den Menschen näher zu bringen, dass Shoppen natürlich Spaß machen darf. Aber wenn man richtig shoppt, dann kann man sogar was Gutes für die Welt tun. Ökologisches Leben muss heutzutage nicht verzichten heißen. Das war ja früher der Fall. Da ging’s darum: Ihr verbraucht zu viel, darum verzichten wir. Nur es ändert nichts in der Welt. Die große Strömung verändere ich nur, wenn ich die Industrie beeinflusse so zu produzieren, wie ich es möchte. Ein Entziehen bringt leider gar nichts, dazu schwimmen zu viele Leute in Richtung Konsum.

Aber Konsum kann man ja auch in anderen Bereichen beeinflussen.
Inez David: Ich finde aber gerade den Modebereich so wichtig, weil es die Fashion-Industrie ist, die ganz schlimm belastet ist. Die braucht mehr Chemikalien und Sklaverei als die Pharmaindustrie, von der man immer denkt, dass sie die schlimmste ist. Nein, es ist die Modeindustrie. Und da ist es ganz schwierig, es hinzubekommen, dass man trotzdem noch mit Spaß einkauft. Denn Mode soll Spaß machen. Man soll sich ja auch so anziehen, wie man sich wohl fühlt. Und das kann man nur, wenn man dort einkauft, wo man weiß, da hat schon jemand auf eine gute Produktionsweise geachtet. Ich muss mich damit nicht mehr belasten.

Man muss also ganz viel wissen. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, dass der Reißverschluss aus China kommt. Natürlich kommt er aus China. Einen Reißverschluss aus Deutschland können sich die meisten Labels nicht leisten, zumal der dann wahrscheinlich noch nicht mal so gut ist wie der aus China. Die Frage ist dann nur: Wo aus China? Was ist das für eine Fabrik?

Für die Herstellung von Kleidung ist Baumwolle sehr beliebt. Der Anbau ist hingegen oft belastend für den Boden: Baumwolle wird aufgrund der riesigen Nachfrage meist als Monokultur angebaut, verbraucht sehr viel Wasser, begünstigt Erosion und ist oft mit starkem Pestizideinsatz verbunden. Inwiefern ist Bio-Baumwolle für Sie ein Thema?
Inez David: Eigentlich ist Bio-Baumwolle mittlerweile leicht zu kriegen, das müsste schon überall selbstverständlich sein. Das ist jetzt nicht mehr so exotisch wie vor sechs, sieben Jahren – wobei natürlich die Produktionsmenge ausgebaut werden müsste. Bei den ganzen kleinen, freien Einkäufern ist es nun so, dass die nehmen müssen, was sie kriegen. Und dann kommt es auch schon mal vor, dass keine Bio-Baumwolle übrig ist. In solchen Situationen gibt es kein schwarz-weiß für mich als Einkäufer. Zukunftsweisender als Baumwolle sind ohnehin andere Stoffe; alte Pflanzen wie Flachs wieder neu zu entdecken, oder Polyamide einzusetzen, die sich tatsächlich nicht zersetzen und immer wieder neu gesponnen werden können. Bio-Baumwolle ist ein Muss, aber Baumwolle als meistbenutzte Pflanze für Stoff eben nicht. Ein Schritt weg von der Monokultur würde auch unseren Böden gut tun.

Kann man davon ausgehen, dass Bio-Baumwolle wirklich Bio-Baumwolle ist?
Inez David: Natürlich wird auch hier geschummelt. Aber wer in Indien war, weiß: Hier wird Bio angebaut, daneben normal. Und dazwischen ist keine Trennwand. Die haben ein anderes Verhältnis bezüglich einer strikten Trennung zwischen Bio und Nicht-Bio als wir – und schaufeln da mal ein bisschen von normaler Baumwolle zur Bio-Baumwolle rüber. Es wird immer Leute geben, die finanziell gierig sind und schummeln. Aber: Der Druck ist da und deshalb wird umgestellt. Darauf kommt es an.

Gibt es noch andere Themen, die im Bezug zum Bodenschutz wichtig für Sie sind?
Inez David: Ja, zum Beispiel die Chemie bzw. die Giftstoffe, die bei der Herstellung der Stoffe genutzt werden, um die Faser zu verbessern. Etwa bei Seide, um sie weicher zu bekommen. Es werden Schwermetalle eingesetzt, um Stoffe geschmeidiger und glänzender zu bekommen – und wo landen die? Im Boden – der vorher schon durch ihre Gewinnung zerstört wurde. Es ist eine Sache, was der Bauer auf seinem Feld tut. Da ist es allen klar: Die Pestizide landen im Boden. Und was dann nachher bei der Stoffproduktion passiert, das ist genauso schlimm. Mein Problem mit Siegeln ist, dass häufig nur gezählt wird, was im Stoff drin ist, wenn der Verbraucher ihn trägt. Aber nicht, was in der Produktion durch ihn hindurch „geflossen“ ist. Und das ist natürlich ein Unding.

Das einzige, das meiner Meinung nach geht, ist „Cradle to Cradle“ – also Kreislaufwirtschaft. Denn dabei geht es immer darum: Was darf ich rein tun? Und nicht: Was darf ich nicht rein tun. Im Fokus steht nicht das Zertifikat, sondern das Prinzip, wie produziert wird. Die sagen: Wir tun nichts rein, von dem wir nicht wissen, dass es für die Umwelt, den Boden und die Menschen gut ist. Bei allem anderen gibt es zu viele Unsicherheiten.

Sie engagieren sich als „Stimme für den Boden“. Was bedeutet Boden für Sie persönlich?
Inez David: Boden ist für mich Heilung. Wenn es mir schlecht geht oder ich sehr gestresst bin, möchte ich nur in meinem Garten sitzen, die Gartenhandschuhe ausziehen, die Hände in den Boden stecken und irgendwas pflanzen oder graben. Hauptsache, ich fasse den Boden an. Das ist – spirituell gesagt – erstaunlich, was das mit einem macht. Es ist wirklich wie Heilung.

miwai.de

Näher beleuchtet: Baumwolle

Weltweit ist Baumwolle das wichtigste Ausgangsmaterial für Naturfasern. Doch der konventionelle Anbau schadet dem Boden in mehrfacher Hinsicht. Die Felder müssen stark bewässert werden und versalzen in den trockenen, heißen Anbauländern dadurch schnell. Der hohe Einsatz von Pestiziden belastet die Böden und gelangt vielerorts ins Grundwasser – und somit in Flüsse und Seen. 16 Prozent der weltweit verwendeten Pestizide werden für Baumwolle verwendet.

Als Alternative zur herkömmlich angebauten Baumwolle haben mittlerweile nicht nur kleine Ökomode-Labels Bio-Baumwolle für sich entdeckt, sondern auch große Handels- und Modeketten. Bei der Herstellung von Bio-Baumwolle ist zum Beispiel der Einsatz von chemischen Pestiziden und Düngemitteln nicht erlaubt. Dadurch werden nicht nur keine Giftstoffe eingesetzt, die Verwendung von Mist und Kompost schützt den Boden auch vor Degradation. Initiativen wie „Cotton made in Africa“ (CmiA) verbieten zudem die Nutzung von gentechnisch verändertem Saatgut und setzen sich dafür ein, sowohl die ökologischen als auch die ökonomischen und sozialen Bedingungen der Baumwollproduktion zu verbessern. Nur Kleinbauern dürfen an CmiA teilnehmen. In Schulungen erlernen sie effiziente und umweltschonende Anbaumethoden. CmiA überprüft regelmäßig die Einhaltung der Kriterien.