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Hort der Seelenruhe und Erinnerung: der Garten als therapeutischer Ansatz

Ob Schr ebergarten, Ziergarten oder Landschaftspark – der Garten war und ist in allen Kulturen ein Ort, an dem der Mensch zur Ruhe kommen, seine Sehnsucht nach der Natur befriedigen und in Kontakt mit der Basis des Lebens, mit dem Boden, treten kann. Auch der heilende Effekt von Gärten wird zunehmend wertgeschätzt. Therapeutische Einrichtungen wie das Zentrum für Folteropfer in Berlin nutzen den Garten gezielt als Medium zur Behandlung zahlreicher Leiden.

Gärten sind ebenso vielfältig und facettenreich wie die menschlichen Kulturen – Grund dafür ist auch der Boden, der sich von Region zu Region unterscheidet. Längst sind Gärten mehr als Orte, an denen Nutz- oder Zierpflanzen angebaut werden. Mit ihrer reichen Palette an Sinneseindrücken bieten Gärten ein Refugium, um dem Stress und der Lautstärke des Alltag zu entfliehen und Seelenruhe und Entspannung zu genießen.

Die vielfältigen positiven Wirkungen der Natur können auch therapeutisch genutzt werden. Ob für psychisch Erkrankte, hyperaktive Kinder, Demenzkranke oder Suchtpatienten – bei einer Vielzahl von Leiden bieten Gärten eine wirksame und kostengünstige Ergänzung zu den herkömmlichen Behandlungsmethoden. In angelsächsischen Ländern, besonders in Neuseeland, sind die ärztlichen „Green Prescriptions“ (Verschreibungen von Aktivitäten in der Landschaft) bereits weit verbreitet. Doch auch in Deutschland findet die Gartentherapie immer häufiger Anwendung – etwa im Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin (bzfo), das Menschen betreut, die aufgrund von Folter und Misshandlungen in ihren Heimatländern traumatisiert sind.

„Die Beschäftigung mit dem Pflanzen und Pflegen ist für viele unserer Patientinnen und Patienten ein Abbild früherer besserer Zeiten“, sagt Ferdinand Haenel, Leiter der Tagesklinik. Seit das bzfo vor zehn Jahren das ehemalige Gelände des Krankenhauses Moabit bezog, nutzt es die Grünfläche des Geländes – für ein Volleyballfeld, den Grillplatz und kleine Gartenparzellen. Jeder Patient, der interessiert ist, kann im Rahmen des therapeutischen Programms unter Anleitung der Therapierenden ein Stück des Bodens bewirtschaften. Hier können die Betroffenen die Hände in die Erde stecken, das würzige Aroma des Bodens riechen und selbst Leben daraus großziehen.

Gemüse, Obst, Blumen wachsen hier – und was die Patienten anpflanzen wollen, können sie selbst entscheiden. „Die Ernte ist natürlich begrenzt“, sagt Haenel. Aber was eingebracht wird, Tomaten und anderes Gemüse etwa, werde auch in der Küche verwendet und dann gemeinsam gegessen. Wichtiger als die Ernte ist aber die Steigerung des psychischen und physischen Wohlbefindens der Menschen durch das Gärtnern selbst. Die meisten im bzfo betreuten Menschen kommen Haenel zufolge aus Ländern oder Regionen, in denen der Anbau von Obst und Gemüse im eigenen Garten oder Feld selbstverständlich dazugehörte – etwa aus Tschetschenien oder Syrien. Sie knüpften beim Gärtnern an alte Fertigkeiten an – verloren gegangene Ressourcen würden wieder ausgegraben, erklärt der Klinikleiter. „Zu sehen wie etwas wächst und sich an den früheren Alltag zu erinnern hilft den Betroffenen, ihr Ich-Bewusstsein wieder zu entwickeln“, erklärt Haenel. Zudem würden die Patienten dadurch ins Gespräch kommen, sich über ihre Kultur und Heimat austauschen.

Das Gärtnern ist darum heute fester Bestandteil der sechs bis sieben Monate dauernden Behandlung im bzfo. Hinzu kommen Kreativtherapie, Physiotherapie, Sporttherapie und Gruppentherapie. „Bei all dem lernen die Patientinnen und Patienten, sich wieder neu zu erleben“, so Haenel. Oft hätten sie durch traumatische Erfahrungen ein tiefes Misstrauen gegenüber ihrer Umgebung entwickelt. Der Boden braucht Pflege – und die Patienten Aufgaben, eine Tagesstruktur. „Das Gärtnern und der Austausch mit anderen dabei helfen ihnen, ihre eingebüßten Kommunikationsfertigkeiten und Vertrauen wiederzugewinnen.“ Kleine Auseinandersetzungen und Streitigkeiten kommen dabei vor – auch beim Gärtnern. Aber auch das ist Haenel zufolge gut und wichtig. „Auch ein Streit um Gartengeräte oder die geernteten Tomaten hilft zu lernen, wie man sich Konflikten stellt“, so Haenel, „denn die sind ja auch im wirklichen Leben wichtig.“