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Interview mit Prof. Dr. Georg Guggenberger

Das Klima beeinflusst die Eigenschaften des Bodens – doch die Prozesse im Boden prägen auch das Klima, sagt der Bodenexperte Prof. Dr. Georg Guggenberger vom Institut für Bodenkunde an der Leibniz Universität Hannover. Im Interview erklärt er, warum die Aktivität von Bodenmikroorganismen die Klimaerwärmung befeuern kann und was die Landwirtschaft berücksichtigen muss, damit möglichst wenig Treibhausgase aus dem Boden entweichen.

Das Klima beeinflusst nicht nur die Böden. Böden wirken umgekehrt auch auf das Klima ein. Wie?
Georg Guggenberger: Das Klima bestimmt maßgeblich mit, welche Eigenschaften ein Boden hat, insbesondere auch, wie viel Kohlenstoff dieser speichern und somit der Atmosphäre entziehen kann. Umgekehrt gibt der Boden mit Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) große Mengen an Treibhausgasen ab.

Weltweit lagern etwa 3.000 Gigatonnen Kohlenstoff in den Böden – das sind 3.000 Milliarden Tonnen. Zum Vergleich: In der Vegetation sind es ca. 600 Gigatonnen, in der Atmosphäre ca. 830 Gigatonnen. Wenn wir den Kohlenstoff-Speicher im Boden verändern, etwa durch die Umwandlung von Regenwäldern oder Steppengebieten in Ackerland, wird mehr Kohlenstoff durch die Mikroorganismen im Boden freigesetzt – und das beeinflusst das Klima. Denn es führt zu einem starken Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.

Mittelfristig setzen wir leider mehr Kohlenstoff aus Böden frei, als die Böden aufnehmen – und das passiert insbesondere bei den zunehmend tauenden arktischen Permafrostböden, aber auch in den Tropen und Subtropen.

Bodenexperten gingen jahrzehntelang davon aus, dass die molekulare Struktur der pflanzlichen Biomasse darüber bestimmt, was wie schnell mit dem Kohlenstoff im Boden passiert. Das erwies sich als Fehlannahme. Wie ist der Wissensstand heute?
Georg Guggenberger: Durch neue Analyseverfahren hat sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren gezeigt, dass vor allem sogenannte Stabilisierungsprozesse durch die Bodenorganismen hinsichtlich des Bodenkohlenstoffs relevant sind: Pilze, Bakterien und andere Mikroorganismen bauen zum Beispiel zusammen mit den Pflanzenwurzeln Minerale und organische Partikel zu sogenannten Aggregaten auf. In deren Innerem ist organischer Kohlenstoff eingelagert und dadurch wiederum vor Zersetzung durch die Mikroorganismen geschützt. Solange diese Aggregate stabil sind, ist der ganze Boden stabilisiert und gibt kaum Kohlenstoff ab.

Warum war und ist es so schwierig, die genauen Prozesse in den globalen Böden zu beschreiben?
Georg Guggenberger: Der Boden ist nun mal so komplex wie kein anderes Ökosystem. Von den organischen Verbindungen kennen wir noch immer nur 10 bis 20 Prozent. Außerdem gibt es nirgendwo eine so große Biodiversität. Man weiß immer noch nicht, wie viele Spezies darin wirklich leben. Aber die aktuelle Schätzung von einer Million mikrobieller Spezies ist wahrscheinlich nicht übertrieben. Wir arbeiten in der Bodenforschung inzwischen im Nanometer-Maßstab, auch um zu verstehen, warum manche Böden mehr CO2 abgeben als andere. Tatsächlich hat man erst in den letzten fünf bis zehn Jahren das instrumentelle Werkzeug in der Hand, um z.B. Abbauraten von einzelnen organischen Verbindungen im Boden messen zu können.

Organische Böden, Stauwasserböden, durch Salz beeinflusste Böden etc.: Nach aktueller internationaler Klassifikation gibt es 32 Basis-Bodentypen, die in über 100 Unterbodentypen gegliedert werden. Und die Umsetzung von Kohlenstoff unterscheidet sich von Bodentyp zu Bodentyp. Wodurch wird sie beeinflusst?
Georg Guggenberger: Das hängt von vielen Faktoren ab, die bei den jeweiligen Böden wirken.

In feuchten Böden, etwa bei Mooren, sorgt die hohe Wassersättigung für sauerstoffarme Bedingungen. Dadurch werden organische Substanzen langsamer abgebaut, und so weniger Kohlenstoff freigesetzt.

Bei Steppenböden ist die mikrobielle Aktivität in den kalten Wintern und relativ trockenen Sommern stark herabgesetzt. Dadurch bleibt im Boden ziemlich viel Kohlenstoff gespeichert.

Weiterhin kommt es in allen terrestrischen Böden, also auch in unseren mitteleuropäischen Landböden, zu einer großen Interaktion von Mikroorganismen, Mineralien und organischer Substanz, die dadurch langsamer abgebaut wird. Dann bleibt mehr Kohlenstoff im Boden.

Wie beeinflusst umgekehrt die atmosphärische CO2-Konzentration die Prozesse im Boden und dessen Treibhausgas-Abgabe?
Georg Guggenberger: CO2 führt zu einem Temperaturanstieg in der Atmosphäre, aber auch in den Böden. Das treibt die Aktivität der Bodenmikroorganismen an, wodurch die Böden mehr Kohlenstoff abgeben, der als CO2 in die Atmosphäre gelangt und als Treibhausgas die Klimaerwärmung anfeuert.

Kann die Landwirtschaft durch die Art der Bodenbewirtschaftung beeinflussen, wie viel Klimagase entweichen?
Georg Guggenberger: Bei landwirtschaftlich genutzten Böden kann man darauf auf jeden Fall Einfluss nehmen.

Dazu muss man wissen, dass natürlicher Boden in einem Zeitraum von ungefähr 50 Jahren etwa 50 Prozent des Kohlenstoffs verliert, wenn er konventionell bearbeitet und v.a. gepflügt wird. Durch die Bearbeitung werden die Arbeitsprozesse der Mikroorganismen beschleunigt. Außerdem gelangt bei Ackerbau wesentlich weniger organische Substanz aus den Pflanzenrückständen in den Boden.

Für afrikanische oder auch südamerikanische Länder wie Brasilien, wo die Böden in vielen Gebieten eigentlich gar nicht Bewaldung zu Acker- und Weideland dazu, dass viel CO2 freigesetztwird. Dort müsste zumindest darauf geachtet werden, dass man mehr Agroforstwirtschaft betreibt – also auch auf den Ackerflächen Bäume stehen lässt oder neu pflanzt, um dem ursprünglichen natürlichen Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf der Böden wieder näherzukommen. Diese Anbauart wäre auch eine Chance für die kleinbäuerliche Bewirtschaftung in den Tropen.

In Europa gelangt zwar heute sogar etwas mehr Kohlenstoff in den Boden als abgegeben wird. Was zurzeit in den Tropen passiert, fand bei uns aber schon vor Jahrhunderten bis Jahrtausenden durch die großen Rodungen unserer Wälder statt. Die Wirkung vom Menschen auf unser Klima geht somit weiter zurück als bis zur Industrialisierung.

Es mag zuerst überraschend klingen, aber in Gebieten, in denen sowieso schon Landwirtschaft betrieben wird, gilt: Eine hohe Produktion von Nahrungsmitteln hilft dem Boden – wenn die Bearbeitung nachhaltig ist und in richtigem Maße gedüngt, d. h. nicht überdüngt wird. Angemessene Düngung nämlich führt zu mehr Erträgen und dadurch auch zu mehr Ernterückständen auf den Böden, die dann zum Aufbau verbesserter Bodenfruchtbarkeit und Schutz vor Erosion beitragen.

Schlecht für das Klima ist definitiv die Bioenergiegewinnung beispielsweise durch Energiepflanzen wie Raps für Öl oder Mais für Methan. Letztlich ist die Verwendung von Bioenergie schlechter für das Klima als die Verwendung von konventionellen Energiequellen wie Erdgas. Raps etwa muss sehr stark gedüngt werden. Die Herstellung des dafür nötigen Stickstoffdüngers ist sehr energieintensiv und die stark gedüngten Böden emittieren viel Lachgas, das als Klimagas 270 mal schädlicher ist als CO2. Zudem laugt der monokulturelle Anbau von Raps und Mais den Boden aus – und Bodendegradation führt zur Minderung seiner Kohlenstoffspeicherfähigkeit.

Wissenschaftler warnen, die Erderwärmung mache den Permafrost in der Arktis zu einer Zeitbombe für das Klima. Warum?
Georg Guggenberger: Obwohl sie nur einen relativ geringen Anteil an weltweiten Böden ausmachen, ist in den Permafrostböden die Hälfte des global in den Böden gespeicherten Kohlenstoffs gespeichert. Eisboden im Permafrost selbst sowie nasse und kalte Bedingungen in den darüber liegenden Bodenhorizonten führen zu geringer mikrobieller Aktivität, und somit zu einem geringeren Umsatz von Kohlenstoff. Durch die Erderwärmung aber tauen die Böden im Sommer tiefer auf. In der oberen, belüfteten Bodenschicht beginnen die Mikroorganismen zu arbeiten und zersetzen mehr organische Substanz. So wird mehr organisches Material abgebaut und CO2 freigesetzt. In einigen Gebieten wird enorm viel Methan gebildet, welches sogar ein dreißigmal stärkeres Treibhausgas ist als CO2.

Neuste Prognosen sagen voraus, dass in den nächsten 50 bis 100 Jahren voraussichtlich 15 bis 20 Prozent des in Permafrostböden gespeicherten Kohlenstoffs freigesetzt wird – als CO2 oder auch als Methan.

Das Problem ist, dass sich diese zunehmende Freisetzung von Kohlendioxid und Methan aus Permafrost nicht aufhalten lässt. Wir können nur an anderer Stelle verhindern, dass mehr und mehr klimaschädliche Gase – etwa durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen und auch durch Entwaldung und nicht-nachhaltige Landwirtschaft – in die Atmosphäre gelangen und sich das Klima so weiter erwärmt.