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Überdüngung der Ostsee: Warum Bodenschutz auch Meeresschutz ist

Zu wenig Sauerstoff, trübes Wasser, immer schlechtere Bedingungen für Seegras, Hering und Seenadeln: Das Ökosystem Ostsee leidet unter der Einleitung großer Nährstoffmengen aus der Landwirtschaft. Manche Regionen haben sich inzwischen zu regelrechten Todeszonen entwickelt, warnen Experten. Die Ausdehnung landwirtschaftlicher Biomasseproduktion zur Biogasherstellung verschärfe diesen Trend noch.

Die Ostsee gerät zunehmend unter ökologischen Stress. Grund dafür ist die Anreicherung organischer Nährsubstanzen in Gewässern – die Eutrophierung. Sie führt zu einem verstärkten Algenwachstum und in der Folge zu Sauerstoffarmut. Dadurch ist das Ökosystem in bestimmten Regionen der Ostsee mittlerweile völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Forscher machen deutlich, dass – sollte der Trend anhalten – die Folgen für Tier- und Pflanzenwelt sowie für Fischerei und Tourismus verheerend wären.

„Die Ostsee und der Golf von Mexiko bilden heute die größte Todeszonen.“, sagt Wera Leujak, Expertin für Meeresschutz beim Umweltbundesamt (UBA). Die Algen, die im Zuge des hohen Nährstoffeintrags gewachsen sind, sterben nach einiger Zeit ab und sinken auf den Meeresboden. Dort werden für ihre Zersetzung große Mengen an Sauerstoff verbraucht, wodurch wiederum andere in Bodennähe lebende Organismen absterben. Die Artenvielfalt nimmt ab.

Sowohl das Binnenmeer selbst, aber auch der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft sowie Biosphären-Reservate leiden unter dem Sterben des Seegrases, bestimmter Algensorten und zahlreicher Fischarten wie dem Hering. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) warnte vor Kurzem, dass auch die mit dem Seepferdchen nahe verwandten Seenadeln im Greifswalder Bodden hoch gefährdet sind. Zwar sei auch die Nordsee betroffen, so Leujak; die Ostsee als Binnenmeer gerate aber noch stärker unter ökologischen Stress, denn sie tauscht ihr Wasser nur alle 33 Jahre aus. Darum dauere die Erholung viel länger.

Als wichtigste Ursache für diese Entwicklung sehen Experten den übermäßigen Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft in die Gewässer. 82 Prozent der Stickstoffeinträge und 63 Prozent der Phosphoreinträge in die Ostsee stammen Leujak zufolge aus der Landwirtschaft. Über Regen und Versickerung oder Abfluss gelangen Düngemittel ins Wasser. Dabei gilt: Je degradierter der Boden ist, desto weniger Fähigkeit zum Filtern des verschmutzten Wassers hat er. „Bei der Tierhaltung entstehende Gülle, die auf den Feldern ausgetragen wird, Gärrückstände aus Biogasanlagen sowie Nährstoffe aus industriellen Düngemitteln sind die größte Belastung“, erklärt Dietrich Schulz, Landwirtschaftsexperte beim UBA.

Auch wenn dies auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, bedeutet die Umstellung auf Biogasanlagen eine zusätzliche Umweltbelastung – vor allem für die Gewässer. „Vor allem in Regionen, in denen die Landwirtschaft wieder intensiviert wurde, hat das Problem der Eutrophierung zugenommen“, sagt Schulz.

Das gelte vor allem in Regionen, wo viel Mais für Biogas im Rahmen der Energiewende angebaut wird. Denn Mais, so Schulz, müsse zum einen stark gedüngt werden. Zum anderen stehe der Mais, der für die Biogasproduktion verwendet wird, nicht mehr als Futtermittel zur Verfügung. Also muss noch mehr angepflanzt werden als früher. Mehr Mais aber bedeute mehr Düngemittelaustrag und letztlich mehr Nitrate und Phosphate in den Gewässern.

Noch bleibt viel zu tun im Kampf gegen die Eutrophierung – auch wenn die Politik den Schutz der Meeresumwelt seit einiger Zeit auf ihre Agenda gesetzt hat. So wurde 2007 der Ostsee-Aktionsplan von den Umweltministern der Ostsee-Anrainerstaaten verabschiedet, dessen Maßnahmenkatalog auch die Verringerung der Eutrophierung vorsieht. Und im Jahr 2000 vereinheitlichte die EU mit der Wasserrahmenrichtlinie den rechtlichen Rahmen für die Wasserpolitik, um die Nutzung der Ressource nachhaltiger und umweltverträglicher zu gestalten. Dennoch hat es nach Einschätzung von UBA-Expertin Leujak in den vergangenen 20 Jahren kaum Besserungen gegeben. Investitionen in Forschung und nachhaltige Bodennutzung seien dringend vonnöten. „Der Weg zum Gewässerschutz ist noch weit“, sagt sie.

 

 

 

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